150 Jahre Sänger-Chor zu Großfahner 1865 und 90 Jahre Glockenweihe 1925

Eine Nachlese zur Jubiläumsfeier am 1. November 2015 in der Kirche Großfahner

Als die Kirche „Sankt Peter & Paul“ in Großfahner am 1. November 2015 ihre Pforten für die Besucher öffnete, stand ein ganz besonderes Jubiläum ins Haus, besser gesagt sogar ZWEI. Die Gemeinde Großfahner feierte an diesem Tag das 150. Grün­dungs­jubiläum des Sänger-Chores zu Großfahner 1865 und 90 Jahre Glocken­weihe 1925. Mit beiden Jubiläen lagen Freud und Leid der Gemeinde eng bei­ein­ander, denn die Ursache für die Glockenweihe am 1. November 1925 war eine sehr trau­rige. Sie liegt im 1. Weltkrieg begründet. Am 22. Juni 1917, die Material­schlachten im Westen waren in vollem Gang und verschlangen Mensch und Gut, erklangen unsere drei Glocken das letzte Mal zusam­men. Zwei aus dem Dreiklang wurden anschließend abgenommen und für die Rüstungsindustrie eingeschmolzen. Doch nicht nur den Glocken erging es so; auch Teile der Orgel und metallene Gegen­stände aus dem Pfarrhaus wurden abgeliefert und zur Herstellung von Waffen ver­wen­det. Der Abtransport ging damals so schnell, dass der damalige Pfarrer Meng nicht ein­mal mehr einen Abschiedsgottesdienst hatte halten können. Acht lange Jahre mussten vergehen, bis die Gemeinde zwei neue Glocken aus der Gießerei Störmer in Erfurt erhielt, die am 29. Oktober 1925 von den Einwohnern und allen Ver­einen feierlich eingeholt und auf den Turm gezogen wurden; die kleinere Heimat­glocke mit einem Gewicht von 217 kg, einem umlaufenden Kirschzweigornament, einem Garben­bün­del und dem Psalmwort „Ich will den Herrn loben alle Zeit; sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein“ und die größere Gedächtnisglocke für die Gefallenen des 1. Weltkrieges aus unserer Gemeinde mit einem Gewicht von 498 kg und einem Gedicht von Georg Merkel:

„Herr Gott, nun segne dem deutschen Land

Seinen gefallenen Heldenstand!

Gib allen freudigen Opfergeist,

der auch im Frieden sich stark erweist.“

Diese Glocken läuten noch heute zu Gottesdiensten und Festen in Freud und Leid. Ein Dreiklang ist es dennoch nicht mehr, denn es sollte ein noch viel verheerenderer Krieg folgen, dem die Glocken wiederum zum Opfer fielen. Diesmal traf es jedoch die große Glocke von 1815 und die Ge­fallenen­glocke von 1925, kaum dass sie 17 Jahre alt war. Nur durch einen glücklichen Umstand blieb die Gefallenenglocke vor dem Einschmelzen verschont und kehrte nach dem 2. Weltkrieg mit einigen Blessuren nach Großfahner zurück, um wieder mit ihrer kleinen Schwester vereint zu werden. Der Platz der großen Glocke indes ist bis heute leer.

Doch versammelte sich die Gemeinde an diesem 1. November 2015 auch in der Kirche, um einem freudigen Ereignis zu gedenken: 150 Jahre Sänger-Chor zu Groß­fahner 1865. Wir wüssten nicht besonders viel über diesen über Jahrzehnte in Großfahner aktiv gewesenen Chor, wenn es die wenigen Protokollbücher und die originale Fahne nicht mehr gäbe. Diese wurden dem Verein für Heimatgeschichte im Jahr 2005 aus privater Hand geschenkt. Lange Zeit fristete vor allem die Fahne ein Schattendasein, da es den Chor schon viele Jahrzehnte nicht mehr gibt. Dass sie heute in neuem Glanz erstrahlt, ist der kompetenten Restauratorin Stefanie Masnick aus Weimar zu verdanken. Sie konservierte die Fahne im Winter 2010/11 akribisch, um sie für zukünftige Generationen zu erhalten. Finanziell unterstützt wurde die aufwändige Maßnahme von der Regionalstiftung der Kreissparkasse Gotha, ohne die wir die Fahne nicht hätten retten können.

Sänger-Chor zu Großfahner 1865 – das war vor allem eines: Pure Lebensfreude! Denn wie das Sprichwort richtig sagt: „Wo gesungen wird, da lass dich nieder. Böse Menschen kennen keine Lieder.“ Und so verwundert es nicht, dass wir in den erhaltenen Büchern nicht nur von Singproben und Sängerfesten, sondern auch von so manchem gediegenen Schmaus mit Bockbraten, Kränzchen mit Kaffee und anschließendem Ball und mehrfachem Kommers, den offiziellen Feiern, lesen können. Wer sich durch das gestochen scharfe Sütterlin „kämpft“, kommt nicht umhin, öfters einmal zu schmunzeln über die Gelage, die nach dem Singen im Wagner’schen Gasthof „Zum Hamster“ oder auf Tagesfahrten stattfanden. Dabei stieg auch schon mal das Auto aus und die Reisegruppe musste den Goth’schen Berg rauflaufen oder Bier und Schnaps flossen bei der Geburt eines Kindes hektoliterweise bis in den frühen Morgen hinein. Louis Bärwolf war ein begnadeter Protokollführer. Er besaß nicht nur eine wunderbare Handschrift sondern er konnte die Ereignisse in den blumigsten Worten niederschreiben. Doch auch im Sänger-Chor war es wie in jedem Verein. Da lesen wir von Unpünktlichkeit zu den wöchent­lichen Proben, unent­schul­digtem Fehlen, welches mit einer Strafe von 50 Pfennig be­legt wurde, und fehlendem Nachwuchs. Dem Dirigenten Kantor Albin Blamberg und Lehrer Richard Lerp war wohl so manches Mal die Hutschnur hochgegangen, doch ein Humpen Bier machte auch die erregtesten Gemüter wieder genügsam und so wurde Woche für Woche, im Sommer weniger, im Winter intensiver geprobt und aufgeführt, um das kulturelle Leben in Großfahner zu bereichern. Der Sänger-Chor war zu jeder erdenklichen Feier dabei, bei der Einweihung des Denkmals für die Gefallenen des 1. Weltkrieges im Jahr 1922, bei der Glockenweihe 1925 und bei vielen Fahnenweihen in den Nachbardörfern, der Liedertafel Döllstädt, der Gemeinde Dachwig, vom Gesangsverein Concordia Herbs­leben und dem Gesangsverein Gierstädt. Doch die beiden Weltkriege brachten auch das Vereinsleben zum Erliegen und eine zusammenhängende Geschichte des Sänger-Chores zu Großfahner 1865 gibt es eigentlich nicht, was an der jüngeren Geschichte des ehemaligen Volkschores Großfahner sehr deutlich wird. Aber das spielt nicht die entscheidende Rolle. Wichtig ist, dass in Großfahner heute wieder gesungen wird im Fahner Singkreis, eine Tradition, die sehr weit in der Zeit zurückreicht, uns mit Freude erfüllt und an der wir festhalten sollten.

Die Jubiläumsfeier am 1. November 2015 in der Kirche „Sankt Peter & Paul“ traf auf großes Interesse der Einwohner Großfahners an der Geschichte. Die Feierstunde an diesem, mit schönstem Herbstwetter gesegneten Sonntag wurde von Pfarrer Zweynert, dem Gemeindekirchenrat, dem Ballstädter Männerchor, dem Fahner Sing­kreis und dem Verein für Heimatgeschichte Großfahner e.V. würdevoll ausgestaltet. Vor allem die Chöre boten, allein oder vereint, mit ihrem Gesang ein unver­gleich­liches Erlebnis, das wohl bei so manchem Besucher eine kleine Gänsehaut her­vorrief, reiht sich doch die Jubiläumsfeier nun in die lange Geschichte unseres Dorfes und unserer Kirche ein.

Nach der Feierstunde konnten die Besucher noch bei hausgebackenem Kuchen und Kaffee in der Kirche verweilen und, was nicht so oft vorkommt, an Führungen auf den Kirchturm teilnehmen, bei denen viele Informationen, Geschichten und Anekdoten über die Turmuhr, den Kirchturm und die Glocken vermittelt wurden. Die Geschichte der Glocken und des Sänger-Chores kann noch bis einschließlich Ostern in einer kleinen Ausstellung im Seitenschiff der Kirche nach den Gottesdiensten angeschaut und erforscht werden.

Wir möchten an dieser Stelle unseren herzlichsten Dank aussprechen: unseren vielen interessierten Gästen, dem Männergesangsverein 1990 Ballstädt e.V., der am 17. November 2015 sein 25. Gründungsjubiläum feierte, dem Fahner Singkreis mit Kantorin Uta Peuckert, Frau Amalia Flack für die Informationen zum Volkschor Großfahner, Familie Monika Schulz für die Schenkung der Bücher und der Fahne, Herrn Heinrich Paetow (Eisenach) für die Fotos der Glockenweihe 1925 und allen, die hier nicht namentlich erwähnt sind, an der Feier aber einen großen Anteil hatten.

Pfarrer Sebastian Zweynert, der Gemeindekirchenrat und der Verein für Heimat­ge­schich­te Großfahner e.V.