Der „Ausbimmler“ – ein ausgestorbener Beruf

Eine meiner Erinnerungen aus einer freundlichen, friedlichen Kindheit in Großfahner ist die an einen Mann, der eine nun völlig ausgestorbene Tätigkeit ausübte, nämlich das „Ausbimmeln“. In unserer Zeit kommt der „Ausbimmler“ oder Schütz nur noch als Karnevalsfigur vor. Welche Aufgaben hatte dieser Mann? Er war Gemeindediener, Gemeindearbeiter, hatte amtliche Mitteilungen an die Gemeinde zu verkünden, zum Beispiel, wann Kohlenkarten, Lebensmittelmarken usw. ausgegeben wurden.
Ein Ausbimmler, an den sich sicher viele ältere Einwohner noch erinnern, war Otto Hagenbring, auch „Otto Bim“ oder „Otto August“ genannt. Der Bauernsohn Otto Hagenbring wurde 1883 in Großfahner geboren. Er war Fleischbeschauer und arbeitete während des Krieges in Gotha als Friedhofsgärtner. Otto Hagenbring war bis Ende der 50er Jahre als Gemeindediener in Großfahner angestellt. Jeden Tag zog er mit der „Bimmel“, einer großen Glocke, durchs Dorf, blieb an markanten Stellen stehen und nach dem „Bimmeln“ ertönte sein lang gezogenes „Beeekanntmachung“. Sofort öffneten sich Türen und Fenster und die Einwohner lauschten gespannt. Otto Hagenbring war ein aufgeschlossener, freundlicher Mann, stets lustig. Ich erinnere mich an folgende Begebenheit: Meine Schwester und ich hatten die ungeliebte Aufgabe, freitags die Schuhe der ganzen Familie zu putzen, die oft von der Feldarbeit ganz schön verschmutzt waren. Seufzend machten wir uns an die Arbeit. Da kam „Otto Bim“ die Straße herunter, schaute bei uns herein und meinte: „Na, ihr Määchen, was guckt ihr so traurig? Ihr könnt mir gratulieren, ich bin heute 17 geworden.“ Er meinte natürlich 71! Otto Hagenbring war nicht nur Ausbimmler, sondern auch Kirmesvater und aktiv im Karneval tätig. Er besorgte unter anderem die Kostüme, eben ein „Hans Dampf in allen Gassen“.
Beim Bau des neuen Kindergartens war er natürlich auch dabei, war überhaupt kinderlieb und hatte oft Bonbons für die Kindergartenkinder in der Tasche. Die Bonbons reichten dann manchmal nicht mehr für die eigenen Kinder. Später folgte Otto Hagenbring seiner Tochter nach Eisenach, dann nach Jena, wo er im Alter von 93 Jahren verstarb. Nachfolgende Ausbimmler waren Karl Fiedler und Paul Kühn.
Über letzteren ist auch eine lustige Begebenheit überliefert. Paul Kühn, der mit dem Lesen Schwierigkeiten hatte, wurde von einer freundlichen Nachbarin mit Hilfe von Kinderbüchern so weit gebracht, dass er die Mitteilungen einigermaßen vom Blatt ablesen konnte. Eines Tages hatte er zu verkünden, dass der Landfilm im Schenksaal den Film „Der Tiger von Eschnapur“ zeigt. Paul Kühn machte daraus: „Der Tiger in der Eschenberger Flur“.
In den 60er Jahren zog auch im Dorf die moderne Technik ein und der Ausbimmler wurde durch den Dorffunk ersetzt, der allerdings auch oftmals ins Stottern kam. Heutzutage hat jede Familie ihre eigenen Medien zu Hause in Form von Zeitungen und Amtsblättern und man muss aufpassen, Mitteilungen und Termine rechtzeitig mitzubekommen. Irgendwie war der persönliche Kontakt zu einem „lebendigen“ Medium aber doch schöner.

Marlis Springer, Großfahner