Was die Tracht komplett macht?

Hat man sich dazu entschlossen, eine Tracht nach historischem Vorbild neu anzuschaffen, fällt eine Antwort auf diese Frage etwas umfangreicher aus. Denn meist fehlt noch allerlei kleines Zubehör, das von der Schneiderin zunächst nicht direkt angefertigt werden kann. So braucht es zum Beispiel auch Jacken, damit die Tracht auch dann stilecht getragen werden kann, wenn es draußen kalt ist. Auch farbenprächtige Tücher, für die noch kein Stoff angeschafft wurde, die allerdings die Trachten von Damen und Herren gleichsam abrunden, und natürlich das wichtigste Accessoire – die Kopfbedeckung, fehlten uns noch. Im Fall einer Thüringer Festtagstracht sind dies ein Dreispitz für den Herrn und eine ortsspezifische Weimarer Haube für die Dame.

Da wir uns als Verein für Heimatgeschichte Großfahner e.V. mit unseren neuen Trachten gerade in genau einer solchen „Kinderschuh-Phase“ befinden, in der zur bereits vorhandenen Grundausstattung noch einige Details ergänzt werden müssen, nutzten wir die Gelegenheit, am ersten Septemberwohnende diesen Jahres zum 24. Gredinger Trachtenmarkt zu reisen. Denn dort werden all diese Dinge in Hülle und Fülle angeboten. Traditionsgemäß machten wir uns natürlich in Tracht auf den Weg, damit sofort an den vielen Verkaufsständen probiert und passendes Zubehör erworben werden konnte. Zum Anderen bot sich uns als Thüringer Trachtenträger in diesem Jahr eine besondere Bühne für unsere neuen Roben, war doch das vielfältige und bunte Trachtenland Thüringen Thema des diesjährigen Marktes.

Da passte es sehr gut, dass wir an diesem Tag auch die wohl wertvollsten Stücke unserer Garderobe in Empfang nehmen konnten: die originalgetreue Nachbildung der ca. 200 Jahre alten Weimarer Trachtenhaube, die in dieser Form in Großfahner zur Festtagstracht getragen wurde und dem Verein für Heimatgeschichte Großfahner e.V. glücklicherweise als Leihgabe von Privat zur Verfügung steht. Angefertigt wurden diese aufwendigen Kunstwerke von Hutmacherin Karin Zeisberger aus Waldfenster, wobei eine einzige Haube etwa 30 Stunden reiner Handarbeit bedurfte. An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal herzlich bei Frau Zeisberger für die tolle und gelungene Arbeit bedanken!

Die beiden Haubenträgerinnen konnten nun kaum mehr fünf Meter zwischen den Ständen gehen, ohne auf ihre aufwendigen Kopfbedeckungen angesprochen zu werden, fielen sie doch mit den langen Bändern, die bis unter die Kniekehlen reichen, und dem mit Straußenfedern und kleinen Perlen bestückten Vorbindern auf wie die sprichwörtlichen „bunten Hunde“. Dabei bekamen wir auch immer wieder die Gelegenheit, über Thüringer Brauchtum und Geschichte zu berichten, z.B. dass in Thüringen vor 200 Jahren sehr wohl bereits Straußenfedern in Kolonialwarenhandlungen erworben werden konnten und dass das Tragen einer Tracht, anders als heute, fest im Alltag der Menschen integriert war – bis zu ihrem Verschwinden, bedingt durch die Industrialisierung.

Wir verstehen die Erforschung und Wiederbelebung der Trachten unserer Region als Schnittstelle zwischen regionaler Geschichte, landestypischer Kultur und örtlichem Handwerk. Seit dem vergangenen Jahr sind wir, mit großartiger Unterstützung aus der Nachbargemeinde Herbsleben und von Karin Zeisberger, einen sehr großen Schritt vorangekommen und nähern uns langsam dem Ziel, unserer Fahnerschen Tracht zu neuem Glanz und Leben zu verhelfen. Mit Fug und Recht können wir daher sagen, dass wir stolz auf das sind, was wir in so kurzer Zeit erreicht haben. Ob das Tragen einer Tracht in unserer Region irgendwann wieder zum Leben auf dem Land dazugehört, bleibt allerdings abzuwarten.

Jenny Schmidt für den Verein für Heimatgeschichte Großfahner e.V.

P.S.: Wer die neuen Trachten zum ersten Mal live erleben möchte, ist für den 2. Dezember 2017 sehr herzlich in den Schlossgasthof von Großfahner eingeladen. Dort werden wir im Rahmen der Senioren-Weihnachtsfeier zwischen 14:00 und 17:00 Uhr unsere Fortschritte in Sachen Tracht präsentieren. Aus diesem Grund verzichten wir für diesen Artikel auch auf Fotos.