Archiv für den Monat: Juli 2014

Schieferschloss Großfahner

Die Schlossanlage mit dem Ziegel- und Schieferschloss der Familie von Seebach, die bis 1945 in Großfahner ansässig war, fiel dem Befehl Nr. 209 der SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) vom 9. September 1947 zum Opfer und wurde im Winter 1947/48 vollständig abgetragen. Heute existieren von der ehemaligen Anlage nur noch einige wenige, zu Wohnhäusern umgenutzte Stallgebäude, ein rekonstruierter Brückenaufgang sowie ein Teil der Umfassungsmauer. Ein Gebäude des Gutshofes wurde in den 90er Jahren restauriert und ein weiteres neu errichtet. Sie prägen heute den Ortskern Großfahners in traditioneller Fachwerkbauweise.

Diese alte Ansicht kann in der Pension „Zum alten Hauptmann“ als Postkarte für 50 Cent erworben werden.

Schermaschine

Diese Schermaschine ist ein französisches Fabrikat der Gebrüder Peugeot und wurde um 1900 unter dem Namen „La Parfaite“ vertrieben. Es handelt sich um das große Modell, das mit zwei Händen betrieben werden musste.

Flachshechel und Handkarde

Diese beiden Gegenstände sind traditionelle Handwerkszeuge zur Herstellung von verspinnbaren Flachsfasern aus den Stengeln des Gemeinen Lein (Linum usitatissimum LINNAEUS). Es handelt sich um ein Hechelbrett aus Fichten- und Eichenholz mit aufrecht stehenden Eisenzinken sowie eine einfache Handkarde aus Eichenholz.

Mit Hilfe der Eisenzinken beider Werkzeuge konnten die langen Flachsfasern aus den zuvor gerösteten und gebrochenen Flachsstengeln entfernt und von den kurzen Fasern getrennt werden. Die langen Fasern wurden nach dem sogenannten Hecheln oder Schwingeln zu Leinen versponnen und die kurzen Fasern, Werg genannt, verwendete man zum Kalfatern, für die Herstellung von Seilen oder als Füllmaterial für Matratzen.

Das Besondere an dem Hechelbrett ist die Datierung. In das Blech ist, kaum noch lesbar, die Jahreszahl 1808 eingeschlagen – das Gerät ist über 200 Jahre alt.

Kugel-Gießzange

Diese Kugel-Gießzange diente einst dem Jäger oder Musketier zum Herstellen von Bleikugeln als Munition. Das Blei wurde über dem Feuer verflüssigt, in die Einfüllöffnung gegossen und die Kugel nach kurzem Erkalten entnommen. Der Gießzapfen wurden mit einer Zange entfernt und die Kugeloberfläche geglättet. Zusammen mit dem Schwarzpulver wurde sie in Papier gewickelt und in der Patronentasche verstaut. Zum Laden des Vorderladergewehrs wurde die Papierpatrone mit den Zähnen aufgebissen, von dem Schießpulver zunächst etwas auf die Zündpfanne gegeben (daher kommt der Spruch „Etwas auf der Pfanne haben.“), diese verschlossen und der Rest von vorn in den Lauf eingefüllt, das Patronenpapier hineingestopft und mit dem Ladestock fest verdämmt. Anschließend kam die Kugel in den Lauf und das Gewehr war feuerbereit.

Die Zange stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Frisch beflaggt

Fahne_VereinDer Verein für Heimatgeschichte Großfahner e.V. besitzt nun eine eigene Fahne, die wir 2013 für Umzüge und Feste anfertigen ließen. Sie zeigt das Wappen Großfahners, das am 30. Mai 1995 gestiftet wurde. Ein zweigeteiltes, rot-weißes Schild trägt zwei stilisierte Rosenblüten, die dem Wappen der Herren von Vanre angelehnt sind. Die Herren von Vanre lebten bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts in Großfahner. Der Höhenzug symbolisiert den geographischen Charakter der Gegend. Das grün-weiße Fahnenblatt ist eine Remineszenz an das ehemalige Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha, dem Großfahner einst angehörte.

Literatur: Ulle, Hartmut (1997): Neues Thüringer Wappenbuch, Band 2. Arge Genealogie, Erfurt.

 

Die Dorfschmiede auf der Dachwiger Chaussee

Nachdem wir die Vergangenheit der alten Dorfschmiede der Familie Schulz an der Hauptstraße bereits beleuchtet haben, soll nun die wechselvolle Geschichte der Schmiede von Familie Büchner erzählt werden.

Dazu müssen wir zurück in das Jahr 1848, denn da wurde Heinrich August Louis Lipprandt geboren, der nach seinem Vater Christian Lorenz Lipprandt als Schmiede­meister in eben jener Schmiede arbeitete und lebte. Ja richtig, lebte. Die Schmiede war Teil des Wohn­hauses und um in die Schlaf- und Wirtschaftsräume zu gelangen, musste man durch die Schmiedewerkstatt durch. Das ist insofern ungewöhnlich, da diese üblicherweise in einem anderen Gebäude untergebracht war, um Lärm- und Schmutzbelastungen zu vermeiden. Nicht so hier, wo der Rauch des Koksfeuers manchmal bis in die Schlafzimmer zog und alles mit einer feinen schwarzen Rußschicht bedeckte. Gestört hat das damals aber wenig. Wahr­scheinlich aber war es, verbunden mit der schweren Ar­beit, der Gesundheit abträglich denn Louis Lipprandt ist nur 47 Jahre alt geworden. Er starb 1896. Zusammen mit Friedericke Pauline Frank, die er 1876 heiratete, hatte er drei Kinder: Rosa, Arno und Karl. Als beide Eltern früh starben, waren Arno und Karl noch minderjährig und so war es an Rosa, das Elternhaus zu bewirtschaften. Arno lernte ebenfalls das Schmiedehandwerk und Karl wurde Stellmacher. Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen verließen sie jedoch Großfahner um sich anderswo niederzulassen. Der Schmiede­betrieb ruhte nach dem Tod Louis’ Lipprandts für etwa vier Jahre bis um 1900 der Schmiedemeister Otto Graue aus Rockhausen bei Erfurt nach Großfahner kam und Rosa Lipprandt zur Frau nahm. Rosa schenkte Otto Graue wiederum drei Kinder: Ida, Ella und Johanna. Ella heiratete im August 1931 den 1904 in Mengersgereuth-Hämmern geborenen Schmied Bernhard Büchner, der im Jahr zuvor nach Großfahner kam. Die Schmiede musste schließlich weiterbetrieben werden um der Familie den Lebens­unterhalt zu sichern. Ella und Bernhard wurden fünf Kinder geboren: Eberhard, der noch heute von Zeit zu Zeit als Schmied im verdienten Ruhestand arbei­tet, Freya, Ingrid, Bernhard und Erhard. Nach Otto Graue, der 1936 ver­starb, übernahm Bern­hard Büch­ner die Schmiede, bis sein Sohn Eberhard sie 1953 wiederum als Meister über­nahm. Zwischen 1948 und 1953 war die Schmiede an Alfred Barth verpachtet, da Bernhard Büchner nach 1945 als ehemaliges Parteimitglied der NSDAP1 in einem Sonderlager des NKWD2 inhaftiert und 1947 nach Russland verbracht wurde, wo er im November verstarb. Eberhard Büchner erlernte das Schmiedehandwerk von 1947 bis Oktober 1950 bei Obermeister Rudolf Walter in Bad Langen­salza. Diese Firma hatte damals 13 Beschäftigte und vier Lehrlinge. Später arbeitete er dann bei Schmiedemeister Egon Röhn in Nägelstädt und von Juni bis Oktober 1953 besuchte er einen Hufbeschlaglehrgang in Jena, wo er sich das theoretische und praktische Wissen des Hufbeschlags aneignete. Dazu gehörte nicht nur die Herstellung und das Anpassen der Hufeisen sondern auch das Wissen um Krankheiten des Pferdehufes, mögliche Fehl­stellungen und deren Korrekturen damit die Arbeitskraft des Pferdes möglichst lange erhalten blieb. Die Prüfung zum Meister des Schmiedehandwerks legte er am 2. August 1953 in Vieselbach ab. Das Meisterstück: ein Sitzbockklappscharnier.

Soviel zur Familiengeschichte. Wie sah nun der Alltag eines Schmieds und seiner Familie aus? Zunächst einmal sei gesagt, dass die beiden Schmiedewerkstätten im Ort keine Kon­kurrenten waren. Selbstverständlich gab es Kunden, die ihre Arbeiten lieber zu einem bestimmten Schmied brachten, doch im Großen und Ganzen war es ein wohlwollendes Nehmen und Geben. Die Schmiede auf der Chaussee war zum Beispiel auf die Herstellung von Metallteilen für luftbereifte Gespannwagen spezialisiert und lieferte diese an den Stellmacher Paetow, der seine Werkstatt direkt gegenüber hatte. Als die ersten Autos aufkamen spezialisierte man sich auch auf deren Reparatur, beschaffte Ersatzteile und verbaute diese. Es verwundert daher kaum, dass Bernhard Büchner bereits 1937 eine stationäre Tankstelle errichtete um die Fahrzeuge mit Benzin versorgen zu können. Diese ging 1938 in Betrieb, wurde aber leider 1939 mit Ausbruch des 2. Weltkrieges wieder geschlossen. Die Rationierung hatte nicht nur bei den Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs sondern auch beim Benzin zugeschlagen. Der Verkauf von Benzin sollte, wie bei einigen anderen Hand­werkern im Ort auch, das zweite Standbein werden, doch es kam eben anders. Neben diesen Tätigkeiten wurden aber auch Landmaschinen aller Art repariert und im Winter, wenn die Landwirtschaft ruhte, fertigte der Schmied Spaltkeile und Äxte für den Holzeinschlag im Wald an. Aber auch die Herstellung von Beschlägen, Radreifen und der Hufbeschlag von Pferden wurden über­nommen. Dazu gab es am Haus eine kleine Durchfahrt, in der die Pferde beschlagen oder defekte Wagen repariert werden konnten. Die Aufträge kamen von den Bauern, der Gutsverwaltung oder von den Betrieben im Ort, z.B. der Saatguthandlung Siegfried. Es gab eigentlich immer etwas zu tun, manchmal so viel, dass die Arbeit kaum zu bewältigen war. Die Schmiede war aber nicht nur Arbeitsplatz sondern nach Feierabend auch ein gesell­schaftlicher Treffpunkt. Hier trafen sich die jungen Leute und tauschten Neuigkeiten aus, Geschäfte wurde beschlos­sen und auch so mancher Unfug angestellt.

Besonders interessant ist auch die Begebenheit, dass um das Jahr 1871 ein Reinhold Lipprandt, wahrscheinlich ein Bruder oder Cousin Louis Lipprandts, nach Amerika aus­wan­derte. Louis Lipprandt baute damals landwirtschaftliche Geräte und Pflüge die dann nach Amerika verschifft wurden. Die Lipprandts betrieben also ein kleines Exportgeschäft. Nach­weislich kamen noch bis in die 20er Jahre des vergangenen Jahr­hunderts Briefe aus Amerika in Großfahner an. Leider ist darüber aber nicht mehr viel bekannt. Ab 1936 wurde auch die Installation von Hauswasserleitungen vom Schmied ausgeführt. Die nötigen Rohre und Anschlüsse lieferten damals die Firmen Ernst Schilling und Albin Linz in Erfurt. Gas und Sauerstoff zum Schweißen lieferte das Acethylenwerk Erfurt mit der Bahn bis zum Bahnhof Döllstedt. Von da aus wurden die Flaschen mit dem LKW von Arthur Rahardt nach Großfahner gebracht. Die Aufgaben des Schmieds wandelten sich mit der Zeit und der technischen Entwicklung. Im Jahr 1960 fand die Gründungs­versammlung der PGH3 Fahrzeugbau Großfahner statt. Die Schmiede wurde noch bis etwa 1963 von Eberhard Büchner betrieben. Ab dann wurden die Schmiedearbeiten von ihm in der PGH ausgeführt, die 1972 in den VEB4 Campinganhänger Großfahner umge­wandelt wurde. Hier wurde später der populäre und im ganzen Land bekannte Campinganhänger „Friedel“ hergestellt, neben Bau­stellen­anhängern, Zirkuswagen und verschiedensten Auf­bau­ten für Transportwagen.

Man kann sich nach dem kurzen Abriss dieser Familien- und Handwerksgeschichte nun fragen, ob der damals geläufige Spruch:  „Das Schmiedeblut, das edle Gut, dass viel versäuft und wenig tut.“ Gültigkeit besessen hat.

Wir danken Herrn Eberhard Büchner für das Gespräch und die zeitweise überlassenen Fotos und Zeichnungen.

1. NSDAP – Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.

2. NKWD (Narodnyj komissariat wnutrennych del) – sowjetisches Volkskommissariat für innere Angelegenheiten.

3. PGH – Produktionsgenossenschaft des Handwerks.

4. VEB – Volkseigener Betrieb.

Kirschzeit ist

Heute wie vor hundert Jahren. Doch so wie auf dem Foto gibt es die gemeinsame Ernte mit der ganzen Familie nur noch in den seltensten Fällen. Heute verrichten Gastarbeiter die aufwendige und schwere Arbeit in den Obstplantagen.

Eine Postkarte kehrt nach Hause zurück

Eine kurze Nachricht, dass die Schwester das Weihnachtsgeschenk erhalten hat und der Brief folgt, frankiert mit einer roten 10-Pfennig-Germania, gestempelt am 11. März 1907 und abgeschickt nach Buenos Aires – mehr nicht. Und doch erzählt diese Karte eine Geschichte von Menschen, die ihr Glück in der Neuen Welt suchten und fanden.

Die schöne Luna-Karte zeigt als Motiv den Brückenaufgang und den Eingang zum (ehemaligen) Ziegelschloss der Familie von Seebach. ebay macht es möglich, dass die eine oder andere den Weg aus der großen, weiten Welt zurück nach Hause findet – der Verkäufer kommentierte: Another postcard is going home.